Staatsoper Unter den Linden: Operntraum – „Les pêcheurs de perles“ („Die Perlenfischer“) – Oper von Georges Bizet

Staatsoper Unter den Linden /LES PÊCHEURS DE PERLES/ Francesco Demuro (Nadir) und Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla)/Foto @ Donata Wenders
Staatsoper Unter den Linden /LES PÊCHEURS DE PERLES/ Francesco Demuro (Nadir) und Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla)/Foto @ Donata Wenders

Georges Bizets Oper “ Les pêcheurs de perles“, die er am 30. September 1863 in Paris zur Uraufführung brachte, wurde anders wie sein späterer Welterfolg „Carmen“, kein großer Wurf. Zumindest bis sich die Musikwelt besann und nach der alles überragenden CARMEN Ausschau nach weiteren Werken des französischen Komponisten hielt. Von den „Perlenfischern“ gibt es keine überlieferte Originalpartitur, lediglich einen Klavierauszug, auf den sich die spätere rekonstruierte Opernfassung gründet. Umso erfreulicher, da diese Oper musikalisch so reizvoll, so dramatisch, aber auch oftmals ungemein elegisch ist. Vier Solisten und ein großer Chor werden von Bizets Komposition reich bedacht. Man mag die Handlung als ein wenig banal empfinden. Aber als Stoff für eine Oper über Gefühle, Freundschaft, Liebe und Eifersucht ist sie allemal sehr tauglich. Starregisseur Wim Wenders setzte für die Berliner Staatsoper die Perlenfischer in Szene und er tat dies auf berührende, einfache und doch so überzeugende Weise, dass dieser Opernabend für mich zu einem besonderen Ereignis wurde. 

 

Als der Berliner GMD Daniel Barenboim den Filmregisseur Wim Wenders bat, für die Staatsoper Unter den Linden eine Oper zu inszenieren, sagte Wenders nach einer Bedenkzeit gern zu. Für seine erste Opernregie suchte er sich Biszets „Les pêcheurs de perles“ – „Die Perlenfischer“ aus. Nachdem sich Barenboim daraufhin einen Klavierauszug bringen ließ, war auch er davon überzeugt, mit Wim Wenders zusammen diese relativ selten aufgeführte Oper als Neuproduktion für die Berliner Staatsopern-Spielzeit 2017/18 herauszubringen. Nachgefragt, was denn die Beweggründe für Wim Wenders seien, warum es ausgerechnet diese Oper sein soll, antwortete er, dass es eine Zeit in seinem Leben gegeben hat, in der für ihn Bizets Musik besonders wichtig war. Diese Musik sei ihm besonders ans Herz gewachsen, erklärte Wenders seinerzeit. 

Staatsoper Unter den Linden /LES PÊCHEURS DE PERLES/ Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla)/Foto @ Donata Wenders
Staatsoper Unter den Linden /LES PÊCHEURS DE PERLES/ Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla)/Foto @ Donata Wenders

Die Handlung der Oper beschreibt eine Liebe zwischen drei Menschen. Zwei Männern, dem Perlenfischer Zurga und Nadir dem Jäger, die sich ewige Freundschaft – vielleicht sogar Liebe?- geschworen haben und einer Frau, Leïla, die diese Beziehung auf eine harte Probe stellt und letztlich die Freundschaft der beiden Männer zerbrechen lässt. 

Zurga, der Anführer der Perlenfischer auf Ceylon, und dessen Jugendfreund Nadir, treffen nach vielen Jahren wieder aufeinander. Sie waren einst in die selbe Frau verliebt. Um ihre Freundschaft nicht zu gefährden, schworen sie sich, ihrer Liebe zu der jungen Priesterin Leïla auf alle Zeiten zu entsagen. Aber Nadir entdeckt Leïla wieder und seine Gefühle für sie entflammen aufs Neue. Als das Paar wegen seiner Entdeckung und der verbotenen Liebe vor den Perlenfischern fliehen will,  fordern diese, angeführt vom strengen Gemeindeälstesten Nourabad, den Tod der beiden Tempelschänder – bis sich Zurga einschaltet und beide begnadigt. Erkennt er doch in Leïla die Retterin aus früheren Tagen wieder, die ihm einst Unterschlupf gewährte. Zum Dank gab er ihr damals eine Kette. Jene Kette rettet sie nun vor dem Tode. Zusammen mit Nadir kann sie fliehen. Zurga bleibt allein zurück, ohne seinen Freund Nadir.

Bizet hat dazu reichlich musikalische Ausdrücke erschaffen, die einerseits Lokalkolorit vermitteln aber auch Sehnsüchte und Gefühle beschreiben. Neben dem berühmten Duett der beiden Freunde Nadir und Zurga „Au fond du temple saint„, ist es auch die wunderschöne Arie des Nadir „Je crois entendre encore„, die den Opernfreunden vor allem bekannt sind. Eine herrliche lyrische Musik mit vielen Rhythmen und Melodien.

Der Tenor Francesco Demuro sang den Nadir sehr gefühlvoll und mit schönem Piano, nicht nur in der erwähnten Arie, und gestaltete die Partie des von seinen Gefühlen zerrissenen jungen Mannes sehr überzeugend. Dies ist auch von Alfredo Daza zu berichten, der den Zurga verkörperte. Kraftvoll und mit stellenweise großer stimmlicher Durchsetzungskraft begeisterte der aus Mexiko stammende Bariton das Publikum. Wolfgang Schöne in der kleineren Rolle des Nourabad rundete das Herrentrio adäquat auf hohem Gesangsniveau ab.

Staatsoper Unter den Linden /LES PÊCHEURS DE PERLES/ Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla)/Foto @ Donata Wenders
Staatsoper Unter den Linden /LES PÊCHEURS DE PERLES/ Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla)/Foto @ Donata Wenders

Star des Abends aber war Olga Peretyatko-Mariotti. Die weltweit gefeierte russische Sopranistin riss das Publikum zu Jubelstürmen und Ovationen hin. Sie sang die Leïla mit herrlichsten Spitzentönen, Koloraturen und eben jenem Gefühl, dass es braucht um ein ganzes Auditorium zu begeistern. Ihre Gestik, – in einigen anderen Rezensionen als zu übertrieben beschrieben -, wirkte so ungemein den Gesang untermalend, dass es fast wie eine Einheit aus beidem zu werden schien. Und nein, es war so gar nicht übertrieben! Ich empfand es als eine wahre, eine große, Freude und ein Privileg, diese Rolleninterpretation miterlebt zu haben. 

Der Staatsopernchor erfüllte seine große Aufgabe auf beeindruckende und teilweise überwältigende Weise. Der Chor ist in dieser Oper von besonderer Wichtigkeit und Chorchef Martin Wright hat hier hervorragende Arbeit mit seinen Damen und Herren des Chores geleistet.

Die musikalische Leitung des Abends lag bei Victorien Vanoosten, der die vorzügliche Staatskapelle Berlin in ruhigem Tempo leitete und dadurch die feinen Schönheiten der Partitur umso mehr zur Wirkung brachte. 

Und welch ein Glücksfall ist es doch, dass Wim Wenders durch seine zurückhaltende, minimalistische, Regie allen Künstlern den Raum zur sängerischen Entfaltung gibt. Eine im Grunde leere Bühne, die auch ohne Requisiten, aber durch geschickte visuelle Eindrücke, die Handlung doch ungemein nachvollziehbar werden ließ. Besonders die Erinnerungssequenzen, die durch Videoprojektionen so wundervoll, wie einfach, zu berühren wussten, bleiben in der Erinnerung haften. Und natürlich habe ich im Vorfeld Kritiken gelesen, die Wenders nicht gerade eine Meisterschaft in Sachen Opernregie attestierten. Aber wie so oft im Leben ist es dann doch anders, wenn das eigene Erleben das vorher Gesagte, Gehörte oder Geschriebene völlig widerlegt. 

Staatsoper Unter den Linden/ LES PÊCHEURS DE PERLES/ Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla), links davon Wolfgang Schöne (Nourabad) und Chor/ Foto: Donata Wenders

Für Wim Wenders ist die Oper „Die Perlenfischer“ etwas ganz besonderes. Für mich ist Wim Wenders Regiearbeit etwas besonderes. Hebt sie sich in ihrer Ruhe, in ihrer Einfachheit, doch so wohltuend von so manch anderen, so überlagerten, so hektischen, so überfrachteten, Inszenierungen ab. Gibt sie doch so viel Raum für eigene Assoziationen, Gedanken und Träume.

Wenn Wim Wenders das auch gewollt hat, hat er es zumindest bei mir erreicht. Und ich war an diesem Abend in meinem Empfinden ganz sicher nicht allein. Ein schöner Operntraum.

 

 

  • Titelfoto: Staatsoper Unter den Linden/ LES PÊCHEURS DE PERLES/ Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla), links davon Wolfgang Schöne (Nourabad) und Chor/ Foto: Donata Wenders
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