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Opern-Weltstar Albina Shagimuratova im Gespräch mit dem OPERNMAGAZIN

Albina Shagimuratova / Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK
Albina Shagimuratova als Lucia/ Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK

Am vergangenen Samstag, 16.10.2016, fand in der Lyric Opera Chicago die Premiere der Donizetti- Oper „Lucia di Lammermoor“ mit Albina Shagimuratova in der Titelrolle statt. Es wurde ein Triumph für die russische Koloratursopranistin. Die Chicago Tribune schrieb über die Premiere unter anderem: „Lucias Wahnsinnsszene – die berühmteste ihrer Art im gesamten Belcanto – war allein schon ein Must-see……Ihr Gesang stieg mit Leichtigkeit in die stimmliche Stratosphäre…… Albina Shagimuratova erhielt verdient donnernde Ovationen….. Es ist gut zu wissen, dass die Lyric Opera Chicago große Pläne mit ihr für die kommenden Spielzeiten hat.“ 

Wieder einmal eine großartige Kritik, muss man sagen. Denn Albina Shagimuratova reist um die Welt und feiert Triumphe an allen bedeutenden, großen Häusern der Opernszene. Sei es in New York, in Tokio, in Paris, in Mailand, in London, in München und Berlin, in Wien, oder auch in Moskau. Überall begeistert sie die Zuschauer und ihre Fangemeinde wächst und wächst. Besonders auch im deutschsprachigen Raum.

Im Vorfeld der Premiere in Chicago gab sie dem OPERNMAGAZIN ein Interview. Das sehr sympathische Gespräch mit dem Weltstar fand am 12.Oktober 2016 via Skype statt.

 

Albina Shagimuratova / Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK
Albina Shagimuratova / Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK

OPERNMAGAZIN: Hallo Frau Shagimuratova nach Chicago! Ich freue mich, dass es heute mit unserem Skype-Gespräch geklappt hat. Wie geht es Ihnen?

Albina Shagimuratova: Es geht mir gut, ich bin in Chicago, 37. Stock, tolle Aussicht. Am kommenden Samstag steigt die Premiere der Lucia, auf die ich mich sehr freue.

OPERNMAGAZIN: Sie singen dort ab Samstag die Lucia in Donizettis Oper “Lucia di Lammermoor”. Sie gehört zu meinen Lieblingsopern überhaupt. Was bedeutet Ihnen die Partie der Lucia? Sie stehen mit dem Tenor Piotr Beczala (als Edgardo) auf der Bühne, der gerade in Deutschland sehr viele Fans hat. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm?

Albina Shagimuratova: Wussten Sie, dass dies auch meine Lieblingsoper ist? Ich liebe Lucia und habe sie bereits „überall“ gesungen, Metropolitan, Berlin, La Scala, Wien. Demnächst in München, toi, toi, toi. Die Rolle passt zu meiner Stimme wie ein Handschuh, einfach perfekt für mich. Insbesondere nach meinem Auftritt als Semiramide in London, die sehr herausfordernd war. Und nach dieser „schweren“ Rolle fühlt sich Lucia noch leichter an. Und natürlich ist die „Wahnsinnszene” mein Lieblingspart in dieser Rolle. Piotr Beczala und ich haben eine wunderbare Kommunikation auf der Bühne. Er ist nicht nur ein wundervoller Sänger, sondern auch ein toller Kollege, was man heutzutage in dieser Kombination eher selten trifft. Ich schätze ihn sehr.

OPERNMAGAZIN: Seit 2008 sind Sie eine weltweit gefeierte Opernsängerin. Auftritte unter anderem in New York, Tokio, London, Moskau, Paris, Berlin, San Francisco, Berlin und in diesem Sommer auch wieder sehr erfolgreich in München. Und immer mit großem Erfolg beim Publikum. Was ist es für ein Gefühl immer vom Publikum bejubelt zu werden? Und wie gehen Sie mit dem Druck um?

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Albina Shagimuratova: Ich habe keinen Druck wenn ich auf der Bühne stehe. Ich versetze mich total in die Rolle und werde zu Donna Anna, oder zur Königin der Nacht, zu Semiramide, oder zu Lucia. Ich freue mich einfach zu singen und packe all meine Emotionen, meine Kraft und meine Professionalität in jede Vorstellung. Ich gehe jeden Auftritt so an, als wäre er mein letzter. Ich werde oft gefragt, wo das beste Publikum ist, aber ich sehe es so: Wenn du selbst gut bist, erhältst du immer eine gute Reaktion der Zuschauer. Besonders vor deutschem Publikum ist es sehr einfach zu singen, eine solche Freude, wie zuletzt bei den Opernfestspielen die Donna Anna an der Staatsoper München. Aus zeitlichen Gründen ist es mir nicht oft möglich in Russland aufzutreten. Sofern man aber wirklich von Druck sprechen wollte, wäre dies in Russland am ehesten der Fall, bei sehr exponierten Premieren, wie z.B. als Ljudmila bei der Neueröffnung des Bolshoitheaters in der Regie von Dmitri Tcherniakov, unter Leitung von Vladimir Jurowski.

OPERNMAGAZIN: Ihre Fangemeinde in Deutschland wird immer größer. Leider sind Sie aber hier nicht so oft zu sehen. Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft? Werden Sie dann häufiger in Deutschland gastieren?

Albina Shagimuratova: Ich wäre sehr gerne öfter in Deutschland. Ich freue mich auf das, was kommt. Es gibt Pläne, wieder in Berlin zu singen, insbesondere aber in München. Die Zusammenarbeit dort auf der Bühne mit meinem lieben Kollegen Pavol Breslik in Mozarts „Don Giovanni“ war wundervoll. Der Münchner Opernintendant Nikolaus Bachler hat mir viele Rollen angeboten, einschließlich Lucia und Semiramide. Er meinte, die Festspiele in München sollten “Albina Shagimuratova-Festspiele” heißen [lacht]. Es war eine tolle Zeit dort.

OPERNMAGAZIN: Ich habe mir Ihre Aufnahmen und Videos im Internet oft angesehen. Sie besitzen eine der wundervollsten Stimmen dieser Zeit, mit grandioser Technik und dazu auch noch mit viel Wärme im Ausdruck. Wenn man eines Ihrer Videos gesehen und gehört hat, bleibt Ihre Stimme sofort im Gedächtnis. Welche Partien sind als nächstes geplant und welche wollen Sie unbedingt noch singen?

Albina Shagimuratova: Eine Rolle für die ich mich aber aktuell noch nicht bereit sehe, da ich die Dinge lieber langsam angehe, die ich aber unbedingt noch singen möchte, ist die Norma! Und dies werde ich auch, in vielleicht 3 bis 4 Jahren. Aktuell habe ich Semiramide abgeschlossen und lerne Puritani, La Sonnambula und eine weitere, eher nicht ganz so bekannte Mozart-Partie aus der Oper „Mitridate, re di Ponto “,die Aspasia, am Royal Opera House in London.

OPERNMAGAZIN: Ihre Landsfrau Anna Netrebko sagte in einem Interview „nie mehr 6 Stunden Wagner auf Deutsch!“. Sie hatte ja mit großem Erfolg in Dresden die Elsa in Lohengrin gesungen. Aber die deutsche Sprache empfinde sie als viel zu schwer. Wie sieht es mit dem deutschen Fach bei Ihnen aus?

Albina Shagimuratova / Foto Andrei Bogdanov
Albina Shagimuratova / Foto Andrei Bogdanov

Albina Shagimuratova: Ich singe am häufigsten auf deutsch und italienisch. Eine meiner ersten Rollen war ja die Königin der Nacht. Ich habe keine Schwierigkeiten in Deutsch zu singen. Ich bevorzuge es hingegen eher weniger französisch zu singen. Es gibt dort tatsächlich auch kein Repertoire für mich als hohe Sopranistin. Hand aufs Herz: Bach und Wagner sind meine Lieblingskomponisten. Ich hoffe, dass ich eines Tages eine Wagner-Oper singen kann. Meine Karriere startete mit der deutschen Sprache. Ich habe Freude an der deutschen Sprache und hoffe auch bald, so ein Gespräch wie unseres auf deutsch führen zu können.

OPERNMAGAZIN: Neben Ihrem Beruf als Sängerin sind Sie auch Ehefrau und Mutter. Bedingt durch Ihren Beruf reisen Sie sehr viel und sind manchmal länger von zu hause getrennt. Wie bekommen Sie alles unter einen Hut? Wo entspannen Sie, wenn Sie mal Urlaub machen? Und wie gehen Sie mit Heimweh um?

Albina Shagimuratova: Ich bin gerade allein in Chicago. Mein Kind ist zusammen mit einer Nanny in Moskau. Mein Ehemann ist berufstätig, nicht als Sänger, sondern als Arzt. Es ist wirklich schwierig getrennt zu sein. Ich sehe meine Familie oft für bis zu drei Monate am Stück nicht. Ich habe nie Urlaub, um ehrlich zu sein, da ich sehr beschäftigt bin. Wenn ich in Moskau bin, bin ich bei meinem Kind und bereite mich auf neue Rollen vor. Ich habe Menschen die mich zu Hause unterstützen, beim Kochen beispielsweise, da mir manchmal ganz einfach die Zeit dafür fehlt. Es fällt mir schwer ein Gleichgewicht zu finden als Mutter, Ehefrau und Sängerin. Morgen allerdings (15.10.2016) wird mein Ehemann für drei Tage aus Moskau zu Besuch kommen und das freut mich ungemein. Ich genieße dann jeden Augenblick, wenn mein Ehemann für drei Tage bei mir ist, werde ich komplett die Zeit mit ihm verbringen. Wenn er wieder abreist werde ich meine freie Zeit dann damit verbringen mich auf neue Rolle vorzubereiten. Darüber hinaus skype ich mit meinem Kind, zwei mal am Tag. Unsere Nanny hilft ihr beim skypen, was schon mal eine Stunde am Tag andauern kann. Meine Tochter Adelina ist jetzt zwei Jahre alt. Den Namen trägt sie in Erinnerung an die große Koloratursopranistin Adelina Patti.

OPERNMAGAZIN: Viele Kollegen/-Innen von Ihnen haben auch während ihrer großen Karrieren immer noch Kontakt zu ihren Gesangslehrern und lassen sich weiter beraten. Ist es bei Ihnen genauso?

Albina Shagimuratova: Ja, absolut. Ich brauche auch oft Hilfe und habe ein paar wenige Leute denen ich vertraue. Ich habe eine großartige Gesangslehrerin in Moskau. Sie ist mir eine große Hilfe und reist auch manchmal zusammen mit mir wenn ich besonders schwierige Rollen habe, wie etwa im vergangenen August in London die “Semiramide”. Ich habe außerdem ein paar Sprachlehrer, eine Deutschlehrerin in München, die liebe Susanna, auch in London einen Sprachlehrer. In diesem Business kann man nicht allein agieren.

OPERNMAGAZIN: Eine Frage, die ich meinen Interviewpartnern immer wieder gern stelle: Wie ist Ihr Verhältnis zur Opernregie, zu den Regisseuren?

Albina Shagimuratova / Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK
Albina Shagimuratova / Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK

Albina Shagimuratova: Ich arbeite gerne mit interessanten Regisseuren. Manchmal langweilt es mich, in traditionellen Produktionen aufzutreten, denn dort gibt der Regisseur nur Anweisungen wie „Albina, geh nach links. Albina, geh nach rechts“. Nein, das ist nicht für mich. Ich mag ausgefallene Produktionen. Ich arbeitete mit dem Regisseur Dmitri Tcherniakov (Neuproduktion einer DVD der Glinka-Oper Ruslan und Ludmilla) und ich erinnere mich an meine Proben mit ihm und daran, dass er mich jedes Mal zum Weinen brachte. Ich mag Regisseure, die mich zu einer Künstlerin auf der Bühne machen. Es geht nicht nur um schönen Gesang. In unserer Zeit, im 21. Jahrhundert, muss man als Opernsängern eine Kombination aus Künstler und Persönlichkeit sein, Wärme und Offenheit für das Publikum ausstrahlen, gut aussehen… all dies ist wichtig. Nicht nur der Gesang und die Technik. Die Arbeit mit dem Regisseur ist für mich sehr wichtig. Manchmal sogar am wichtigsten.

OPERNMAGAZIN: Eine Frage noch: Sie gastieren viel in den USA. Gibt es für Sie als Sängerin Unterschiede zum europäischen Publikum und wie würden Sie die beschreiben?

Albina Shagimuratova: In diesem Jahr war ich nur zwei mal in den USA. Im Frühjahr habe ich in New York an der Met, unter Levine die Entführung aus dem Serail gesungen, und jetzt die Lucia in Chicago. Ich freue mich, viel in Europa aufzutreten. Ich mag die europäischen Konzertsäle. Der Unterschied ist, dass man in den USA an den großen Bühnen weniger Produktionen wie in Deutschland sieht. Beispielsweise den Don Giovanni in München. Das amerikanische Publikum würde wohl kaum so ausgefallene Produktionen akzeptieren. Die Amerikaner bevorzugen es nach wie vor eher traditionell. Selbst hier [in Chicago] sollte die Lucia eine neue Produktion werden. Falls Sie sich an die Lucia aus dem letzten Jahr mit Diana Damrau erinnern? Es war sehr abgedreht, viel Blut und Lucia war schwanger und erlitt eine Fehlgeburt. So etwas wird in Amerika wohl nicht funktionieren. Der Generaldirektor der Oper in Chicago hat die Produktion entsprechend geändert. Er wechselte den Regisseur und lud Graham Vick ein, mit dem ich nun diese Neuproduktion der Lucia erarbeitet habe.

Zum Ende erwähnte sie noch, dass sie mit Abstand die meiste Fanpost mit Autogrammwünschen aus Deutschland bekommt. Selbst in London erreichten sie Briefe aus Deutschland. Dies mache sie sehr glücklich.

DAS OPERNMAGAZIN dankt Albina Shagimuratova für das freundliche und informative Interview.

 

Links:

  • Facebook-Fansite Albina Shagimuratova
  • Homepage Albina Shagimuratova
  • DVD – Empfehlung: Glinka: Ruslan und Ljudmila
  • Albina Shagimuratova, Ljudmila Mikhail Petrenko, Ruslan Dmitri Tcherniakov, Regie Vladimir Jurowski, DirigentBolshoi Theater-Orchestra und ChorBelAir Classique (Naxos Deutschland)Erscheinungsdatum:  09. September 2016ASIN: B01HSFG6VG
  • Titelfoto: Albina Shagimuratova / Foto @ PAVEL VAAN & LEONID SEMENYUK
  • Das Interview erfolgte in englischer Sprache – Übersetzung: Jan Malolepszy
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