Oper Dortmund: Großartige Saisoneröffnung mit Charles Gounod’s Oper FAUST am 17. September 2016

Eleonore Marguerre ( Marguerite), Lucian Krasznec (Faust), Karl-Heinz Lehner (Mephistopheles), David N. Koch (junger Faust) ©Thomas Jauk, Stage Picture
Eleonore Marguerre ( Marguerite), Lucian Krasznec (Faust), Karl-Heinz Lehner (Mephistopheles), David N. Koch (junger Faust)©Thomas Jauk, Stage Picture

Die Oper Dortmund eröffnete am gestrigen Abend (17.9.2016) mit der Premiere der Oper FAUST von Charles Gounod ihre neue  Saison 2016/2017. Und sie tat es, wieder einmal, großartig. Diese Aufführung wurde zu einem Stimmfest erster Güte und sollte auf dem Terminplaner für alle Opernfans der Region, und auch darüber hinaus, stehen. Die Premierenbesucher im leider nicht voll besetzten Haus feierten Solisten, den Dortmunder Opernchor, die Dortmunder Philharmoniker und den musikalischen Leiter des Abends, Motonori Kobayashi, ausgiebig mit vielen Bravorufen und langanhaltendem begeisterten Applaus. Mit in den Jubel wurde das Regieteam um den britischen Regisseur John Fulljames einbezogen. 

Für Dr. Faust ist es ein trostloses Dasein. Wieder jung will er sein. Wieder Freude und Spaß im Leben haben. Und wieder die Frauen und den Sex genießen können. Wenn ihm nicht dabei immerwährend sein Alter und seine Gebrechlichkeit im Wege stünden. Hochgelehrt und doch im Alter frustriert über den immer sichtbarer werdenden eigenen Zerfall sehnt er sich den eigenen Tod herbei. In seiner eitlen Not ruft er Satan an. Der erscheint ihm auch und bietet dem Suchenden Hilfe an. Trugbilder lassen den Greis wankelmütig werden und er schließt den Pakt mit dem Teufel. Jung will er wieder sein! Und das um den Preis seiner eigenen Seele. Denn diese gehört fortan ihm, Mephistopheles, dem Satan. Faust hat sich auf ewig verkauft.

Karl-Heinz Lehner (Mephistopheles), Chor der Oper Dortmund ©Thomas Jauk, Stage Picture
Karl-Heinz Lehner (Mephistopheles), Chor der Oper Dortmund ©Thomas Jauk, Stage Picture

Charles Gounod’s große Oper über Goethes Werk FAUST (Libretto von Jules Barbier und Michel Carre) wurde in seiner endgültigen Fassung im März 1869 an der Pariser Oper uraufgeführt. Sie ist bis heute Inbegriff der großen Französischen Oper geblieben. Mit dem ursprünglichen Werk FAUST hat sie nur wenig zu tun. Vielmehr setzt Gounod die unglückliche und verhängnisvolle Liebesbeziehung zwischen Faust und seiner ihm bereits als Trugbild erschienenen Marguerite in Szene und in den Mittelpunkt seiner Handlung. Bei ihm ist Dr. Faust der nach Liebe und Vergnügen suchende, sich nach Marguerite verzehrende und letztlich unglücklich zurückbleibende Gelehrte. Aber ganz sicher wird durch diese romantische Handlungsreduzierung auch ein besonders operntaugliches Sujet erschaffen. Hinzu kommt, dass Gounod insbesondere die drei anspruchsvollen Hauptpartien der Oper, Faust, Mephistopheles und Marguerite, musikalisch außerordentlich emotional und zart, als auch dramatisch und bisweilen diabolisch ausgestattet hat, dass es mitunter keiner Übersetzung des eigentlich Gesungenen bedarf.

Das Einheitsbühnenbild (Bühne: Magdalena Gut / Kostüme: Julia Kornacka) zeigt zu Beginn der Oper einen alten Mann, sitzend in einem Rollstuhl, an Infusionen angeschlossen, in einem kargen Raum der wirkt wie ein unterirdisches Geschoss, wie ein Untergrund in einer Kanalisation. Von beiden Seiten her waren röhrenförmige Zugänge vorhanden, die für die jeweiligen Auftritte nutzbar gemacht wurden. Nach oben war eine große Öffnung gestaltet, was wohl imaginär die Verbindung zum Himmel darstellen sollte. Denn in diesem unterirdischen Geschoss, dieser Kanalisation, hatte Satan die Fäden in der Hand. Den Weg nach „oben“ fand er nicht. Er verschwand am Ende der Oper in einem der seitlichen Kanäle, während sich für Marguerite der Himmel auftat. Inform eines von unten nach oben knospenden Baumes, der durch die „Öffnung von oben“ in das unterirdische Gewölbe herabgelassen wurde. Für die unglückliche Marguerite der Aufzug in den Himmel.

Lucian Krascnec (Faust), Eleonore Marguerre (Marguerite)©Thomas Jauk, Stage Picture
Lucian Krascnec (Faust), Eleonore Marguerre (Marguerite)©Thomas Jauk, Stage Picture

Im Grunde ist mit dieser Bühnenbildbeschreibung auch die darin von Regisseur John Fulljames inszenierte Geschichte gleichwohl mit beschrieben. Interessant auch sein Spiel mit der Figur des Dr. Faust. Fulljames lässt diese Rolle gleich zweimal besetzen. Während der gesamten Aufführung wird der „alte Faust“ auf der Bühne seine Geschichte als dauerndes Deja-vue miterleben müssen und bleibt dabei für seine Umwelt unerkannt. Seine Versuche, in die Handlung aktiv einzugreifen und sie in eine andere Richtung zu lenken, misslingen. Der alte Faust ist verdammt, es wieder zu erleben und zu erleiden. Allein Satan ist es vorenthalten, sowohl den alten als auch den jungen Faust wie eine Marionette händeln zu können. Wenn Mephistopheles im ersten Bild der Oper als dominante Klischee-Krankenschwester in enger Tracht und wehendem roten Haar auftritt, zeigt Regisseur Fulljames bereits in diese Szene deutlich wie die Machtverhältnisse zwischen den beiden ungleichen Partnern beschaffen sind. Eine sicher in manchen Punkten eigenwillige, aber dennoch durchaus berechtigte, da interessante und oftmals selbstbeschreibende, Inszenierung. Beim Dortmunder Publikum kam sie an.

FAUST, oder wie viele auch sagen MARGARETHE, ist eine ausgesprochene Sängeroper großen Stils. Die Anforderungen an die drei Hauptpartien sind enorm und fordern den Protagonisten viel ab. Aber Gounod hat ihnen dafür auch Musik vom Allerfeinsten erschaffen. Schon allein das Finale der Oper ist von einer außerordentlichen Schönheit und überwältigender musikalischer Kraft. Dortmund hat das große Glück mit Eleonore Marguerre (Marguerite), Karl-Heinz Lehner (Mephistopheles) und mit Lucian Krasznec (Faust) eben diese drei Hauptpartien glänzend besetzen zu können. Und auch die weiteren Solopartien der Oper waren adäquat besetzt und rundeten das Gesamtbild überzeugend ab. Das gilt auch wieder einmal mehr für den Opernchor der Oper Dortmund unter seinem musikalischen Leiter Manuel Pujol. Gesanglich und schauspielerisch wieder fest in die Handlung eingebunden, wurde der Chor zu Recht am Ende der Oper gefeiert.

Eleonore Marguerre (Marguerite) ©Thomas Jauk, Stage Picture
Eleonore Marguerre (Marguerite)
©Thomas Jauk, Stage Picture

Die Sopranistin Eleonore Marguerre ist mittlerweile zu einer festen Größe ihres Fachs avanciert. Ihre sensationelle Dortmunder Violetta (LA TRAVIATA) hatten sicher noch viele ihrer Fans förmlich in den Ohren. Dementsprechend auch die an sie gerichteten Erwartungen an ihr Rollendebüt als Marguerite. Um es vorweg zu nehmen: es gelang ihr auch dieses Mal wieder darstellerisch meisterlich und gesanglich auf höchstem Niveau. Hinreißend ihr Spiel und ihr Gesang als unschuldige Marguerite, welche sich über Schmuck und schöne Kleider so mädchenhaft ehrlich freut, als auch ebenso die innere Zerrissenheit und Verzweiflung einer Frau, die schwere Schuld auf sich geladen hat und dem nahenden Tod ins Auge blickt. Großartig!

Mit dem Bayreuth-erfahrenen und gefeierten Bassbariton Karl-Heinz Lehner als diabolischen Mephistopheles trumpfte die Oper Dortmund mit einem Rollenvertreter von internationalem Format auf. Diese Partie lag ihm, machte ihm sichtlich Freude. Das kam beim Publikum an. Seine Auftritte wurden jedes mal zu Höhepunkten, – einer an Höhepunkten nun wirklich nicht armen Inszenierung -, des Abends. Eine tolle Stimme, eine beeindruckende Darstellung – was will der Zuschauer mehr?

Lucian Krascnec (Faust), Eleonore Marguerre (Marguerite) ©Thomas Jauk, Stage Picture
Lucian Krascnec (Faust), Eleonore Marguerre (Marguerite)
©Thomas Jauk, Stage Picture

Die tragende Figur der Oper ist die des Dr. Faust. Eine lyrische Tenorpartie, die absolute Höchstleistung vom ersten Moment bis zum Finale der Oper vom Künstler abverlangt. Gounod scheint diese Partie besonders geliebt zu haben, hat er sie doch mit besonders viel Gefühl konzipiert und komponiert. Der Tenor Lucian Krasznec, der Dortmund nach dieser Aufführungsserie der Oper FAUST in Richtung Staatstheater am Gärtnerplatz in München verlässt, verabschiedet sich mit einer seiner wohl besten sängerischen Leistungen von seinen Dortmunder Fans.  DAS OPERNMAGAZIN begleitet den jungen Tenor bereits seit einigen Jahren und immer wieder gab er Anlass zu herausragenden Kritiken. Mit dem  Faust aber hat er für sich eine große künstlerische Karrieretür aufgestoßen. Das sogenannte „französische Fach“ liegt ihm und kommt ihm stimmlich sehr entgegen.  Mühelos erklomm er die Klippen seiner Partitur bis hinauf zu den strahlend gesungenen Spitzentönen, die diese Stimmlage so einzigartig machen. Aber auch die Tiefe, und auch der Gesamtumfang, seines Tenors haben eine sehr deutlich positive Entwicklung gemacht. Es wirkte fast mühelos, wie er es sang und spielte. Und genau das ist es, was einen außerordentlich begabten und ehrgeizigen Künstler ausmacht. Um diesen Faust werden viele Bühnen die Dortmunder beneiden. Das Gärtnerplatztheater in München wird seine nächste große Etappe sein. Dort wird Lucian Krasznec im Januar 2017 in Bizet’s „Perlenfischer“ als Nadir ebenfalls in einer lyrischen Tenorpartie debütieren. Die Münchner dürfen sich bereits schon jetzt auf diesen ganz besonderen Tenor freuen.

Die kleineren, aber nicht minder anspruchsvollen, Partien waren mit Gerardo Garciacano (Valentin – sehr schön gesungen sein „Avant de quitter ces lieux“ im 2. Akt), Ileana Mateescu (Siebel), Ian Sidden (Wagner) und Almerija Delic (Marthe) ausgezeichnet besetzt. Wobei Almerija Delic bei ihrem Dortmund-Debüt als Mezzosopranistin in der kleinen Partie der Marthe besonders aufhorchen liess und neugierig machte. Die zum großen Teil stumme Rolle des alten Dr. Faust war mit dem Dortmunder Schauspieler David N. Koch überzeugend besetzt.

Der Dirigent Motonori Kobayashi / Foto @Paul Galke
Der Dirigent Motonori Kobayashi / Foto @Paul Galke

Die musikalische Leitung des Abends lag in den erfahrenen Händen des stellvertretenden Dortmunder GMD’s Motonori Kobayashi. Kobayashi, der sich in der Vergangenheit immer wieder als kongenialer Partner der Dortmunder Philharmoniker als auch der Sängerinnen und Sänger auf der Bühne erwiesen hat, legte auch am Premierenabend wieder großen Wert auf das Herausarbeiten der Emotionen, der Dramatik und der klanglichen Schönheit der Partitur. Der große Applaus am Ende der Aufführung , den er wieder auf sehr bescheidene und sympathische Art entgegennahm, war hochverdient.

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