Piotr Prochera / privat

„Musiktheater ist etwas ganz besonderes“- Der Bariton Piotr Prochera im Gespräch mit dem Opernmagazin

Piotr Prochera / Foto privat
Piotr Prochera / Foto privat

Mit drei Jahren bekam er ein kleines Radio geschenkt. Und was dort raus kam faszinierte ihn. Er sagt heute, es war damals seine ganze Welt. Musik, Sprache und Kultur begeisterten ihn schon als kleinen Jungen. Was er im Radio hörte, sang und tanzte er seiner Familie vor und früh war den Eltern klar, dass sie einen ganz besonders musikbegabten Sohn haben. Und Musik wurde dann auch sein Leben. Bevor er ein ausgebildeter Opernsänger wurde studierte er Geige und war Orchestermusiker. Die Oper schloss sich dann an. In ihr kann er all das verwirklichen und umsetzen, was an großem kreativen Potential in ihm steckt. – Der Bariton Piotr Prochera im Gespräch mit dem Opernmagazin –

Seit der Spielzeit 2008 ist Piotr Prochera festes Ensemblemitglied des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier. Viele große und bedeutende Rollen seines Stimmfachs hat er dort in den vergangenen Jahren gesungen und dargestellt. Aktuell ist er dort in der gefeierten DON GIOVANNI-Produktion in der Titelpartie zu erleben.

MiR Gelsenkirchen /Die Passagierin / Piotr Prochera / Foto @ Pedro Malinowski
MiR Gelsenkirchen /Die Passagierin / Piotr Prochera / Foto @ Pedro Malinowski

Dies war dann auch der Anlass diesen wunderbaren Opernsänger in einem Interview dem Publikum ein wenig näher vorzustellen. Wir trafen uns vor einigen Tagen in der Künstlerkantine des Gelsenkirchener Musiktheaters zum Gespräch. Und es wurde länger als angedacht. Vielleicht war es die spezielle Atmosphäre, die es nur in diesen ganz besonderen Bereichen, den Katakomben eines Theaters, gibt und wo gerade die Proben für die nächste Opernpremiere von „Hoffmanns Erzählungen“ liefen mit den allgegenwärtigen Geräuschen, die das Gespräch mit dem Künstler so kurzweilig und besonders werden ließ. Ganz sicher aber war es auch seine unkomplizierte, völlig unprätentiöse Art, wie er über das eigene Leben, seine Liebe zur Musik, seinen Beruf, das MiR und die Oper an sich erzählte, die letztlich zwei Stunden auf unterhaltsame und tiefsinnige Weise ausfüllten. Während sich immer wieder die Kantine in den Probenpausen mit den Künstlerinnen und Künstler der Opernprobe füllte und auch wieder leerte, entspann sich ein Interview, welches vielmehr zu einem Gespräch zwischen zwei Menschen wurde, die die Oper und die Musik lieben. Ein jeder auf seine eigene und besondere Weise.

Piotr Prochera wurde 1980 im polnischen Thorn als jüngster von drei Söhnen geboren. Beide Eltern waren Schauspieler, die Großmutter führte sogar eine eigene Theatertruppe. Und doch, obgleich alle den darstellenden Künsten beruflich zugetan waren, wünschten sich seine Eltern alles, nur keine künstlerische Berufslaufbahn für ihre Söhne. Anders als seine beiden Brüder aber war bei Piotr schon frühzeitig zu bemerken, dass ihn sein Weg zur Kunst, zur Bühne, führen sollte. Schon frühzeitig zeigte sich bei Piotr seine auffallende musische Begabung, die er, wie anfänglich beschrieben, in den Wunsch nach einem eigenen Radiogerät umzusetzen versuchte. Und so war es zu Beginn seiner Schulzeit bereits sein größter Wunsch ein Musikinstrument zu bekommen und es zu erlernen. Eine E-Gitarre sollte es sein! Oder aber ein Klavier. Aber für ein so großes Instrument war die elterliche Wohnung zu klein. Schlussendlich empfahl seine damalige Lehrerin ihrem musikbegabten Schüler, Geige zu erlernen. Und so spielte Piotr Prochera ab dem 6. Lebensjahr dieses anspruchsvolle Instrument. Nach seiner Schulzeit studierte er auch zunächst das Fach Geige, bevor er dann sein Gesangsstudium an der Musikhochschule in Posen begann und absolvierte.

MiR Gelsenkirchen /Don Giovanni /Piotr Prochera / Foto @ P. Malinowski
MiR Gelsenkirchen /Don Giovanni /Piotr Prochera / Foto @ P. Malinowski

Nach seinem Gesangsstudium wollte er sein Heimatland Polen erst einmal verlassen um in Spanien, seine Studien fortzuführen und Karriere zu machen. Einer seiner großen Idole, neben dem ebenfalls sehr von ihm verehrten und bereits 1967 verstorbenen italienischen Bariton Ettore Bastianini, der finnische Bass-Bariton Tom Krause, hat seit 2002 eine Professur für Gesang an der Königin Sofia Schule für Musik in Madrid inne. Aber Piotr Procheras Weg führte ihn nicht nach Spanien, in das Land in dem eines seiner Idole lebte und lehrte, sondern nach Deutschland. Es war der bedeutende deutsche Bariton, der Lied- und Opernsänger und Gesangspädagoge Dietrich Fischer-Dieskau, der Piotr Prochera dann schliesslich und endgültig im Rahmen eines Meisterkurses davon überzeugte in Deutschland künstlerisch Fuß zu fassen. Sein erstes Engagement führte ihn ab 2005 an das Deutsche Nationaltheater in Weimar, das DNT . Zunächst als Mitglied des dortigen Opernstudios und ab Spielzeit 2007/2008 als Ensemblemitglied des Musiktheaterensemble des DNT. Dort debütierte er in Strauß‘ Operette DIE FLEDERMAUS.

Viele weitere bedeutende Partien seines Fachs studierte er in dieser Zeit ein. Den Figaro von Mozart ebenso wie den von Rossini, den Marcello in LA BOHEME, oder auch den Posa in Verdis DON CARLO und viele weitere mehr. Ab der Saison 2008/2009 wechselte der Bariton dann nach Nordrhein-Westfalen in das Musiktheater im Revier MIR in Gelsenkirchen, einem der renommiertesten Opernhäuser des Landes. Seither ist er diesem Haus als eine feste Größe und einer der Publikumslieblinge eng verbunden. Neben den klassischen Rollen seines Gesangfachs pflegte er auch immer wieder das zeitgenössische Opernrepertoire (u.a. den Tadeusz in DIE PASSAGIERIN) und auch, und das besonders gern, den Liedgesang. Neben seinen vielen Verpflichtungen und Auftritten im MIR fand Prochera auch Zeit im Frühjahr 2012 in der Dresdner Semperoper als Papageno in Mozarts ZAUBERFLÖTE zu gastieren. In der Folgesaison lud ihn das weltbekannte Opernhaus erneut ein, diese Partie ein weiteres Mal in der Sächsischen Landesmetropole zu singen.

Musiktheater im Revier-La Gioconda- Piotr Prochera als Barnaba
Musiktheater im Revier-La Gioconda- Piotr Prochera als Barnaba

2016 brillierte er in Gelsenkirchen mit der Partie des Barnaba , in der leider nicht all zu häufig im Opernrepertoire zu findenden Ponchielli-Oper LA GIOCONDA. Er selbst sagt über diese Opernfigur: „Es ist meine derzeitige Lieblingsrolle. Eine schwere, aber wunderschöne Partie“. Die Kritik war sich einig: Piotr Prochera hat mit diesem Rollendebüt auf ganzer Linie punkten können. So wundert es nicht, dass in diesem Frühjahr die Oper im schwedischen Malmö bei ihm anfragte, ober er genau für diese Partie für vier Abende gastieren wolle. Prochera steckte zu dem Zeitpunkt gerade in der Endphase der Probenarbeit für den Gelsenkirchener DON GIOVANNI. Seinem großen Wunsch, die so geliebte Rolle des Barnaba  auch in Malmö singen zu können und dabei die volle Konzentration auf seinen Don Giovanni nicht aus den Augen zu verlieren, entsprach Michael Schulz, der Generalintendant des MIR, und es wurden logistische Meisterleistungen gestartet um ihn auf dem schnellsten und zeitökonomischsten Weg zwischen Malmö und Gelsenkirchen hin- und herfliegen zu lassen, um wichtige Proben für die anstehende Don Giovanni-Premiere nicht zu verpassen.

Letzte Woche fand die letzte LA GIOCONDA-Aufführung mit Piotr Prochera als Barnaba in Malmö statt und auch er wurde vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert. Doch zuvor konnte Prochera in Gelsenkirchen einen weiteren Glanzpunkt in seiner Karriere setzen: seine DON GIOVANNI-Interpration war und ist stimmlich, wie auch darstellerisch, erstklassig. Prochera, der sich als ehrgeizigen, sehr selbstkritischen und leidenschaftlichen Künstler sieht, kann aus allen diesen Eigenschaften große Nutzen gerade für die Rolle des Don Giovanni ziehen. Da er dabei auch noch sportlich ist und man ihm dies auch zweifelsohne ansieht, verleiht er diesem, vom Regisseur vermutlich so angedachten, sinnlich-erotischen Gelsenkirchener Don Giovanni auch die passende körperliche Statur. In dieser Rolle ist er noch am 2. und 7. Juli im Musiktheater im Revier zu erleben.

MiR_GIOVANNI_Prochera-Malmberg_/ Foto @ Pedro _Malinowski
MiR_GIOVANNI_Piotr Prochera und Urban Malmberg/ Foto @ Pedro _Malinowski

Der Künstler Prochera, der von sich sagt, dass er von Natur aus ein eher unruhiger, ja sogar ein wenig cholerischer Typ sei, immer neugierig auf Neues und eigentlich nie ganz fertig, mit dem was er gerade macht, wirkt in unserem Gespräch eher gegenteilig. Leidenschaftlich bei Themen rund um sein großes Thema Oper und Musiktheater, eher ruhig und besonnen, wenn es um ihn als Menschen,  den Ehemann und Vater, den Sohn und Bruder, der er auch alles ist, geht. Sein durchaus vorhandenes und auch spürbares Temperament lebt er gern auf der Bühne aus. So überrascht es auch nicht, dass er besonders die eher durchtriebenen, scheinbar bösen Charakter der Operngeschichte liebt, die für einen Bariton zuhauf komponiert wurden.

Und auch Wagner soll es in Zukunft sein. Da stehen für ihn die „fiesen Typen“ ganz oben auf seiner persönlichen Wunschliste. Und logischerweise hat Richard Wagner auch da einiges für den jungen Bariton Prochera in petto.

Piotr Prochera / Foto privat
Piotr Prochera / Foto privat

Zwei Stunden Gespräch an diesem sehr warmen Frühsommertag mit dem Bariton Piotr Prochera im kühlen Keller des Musiktheaters im Revier verflogen schnell. Eigentlich viel zu schnell. Doch hat es auch ein Gutes: es lässt die Möglichkeit zu, später ein weiteres Mal mit diesem beeindruckenden Künstler zu reden. Denn das er auch in Zukunft viel über seinen Beruf , seine weitere Karriere und über die Oper überhaupt zu erzählen hat, gilt mir als sicher.

So bleibt mir für jetzt Danke zu sagen für ein informatives, kluges und empathisches Gespräch mit dem Bariton Piotr Prochera.

 

*Titelfoto: Piotr Prochera (privat)

 

@ 06/2017/Detlef Obens/Das Opernmagazin

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