Die Budgetlüge und andere Unsittlichkeiten – Ein Widerspruch

Christian Sist / Foto: Gerardo Garciacano
Christian Sist / Foto: Gerardo Garciacano

oder: Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff kauft sich vielleicht auch eine Hose, geht aber wahrscheinlich nicht mit mir essen.

Ich halte vorweg fest, dass ich diesen Aufsatz als Privatperson verfasse und nicht in der Funktion des Botschafters für Oper und Konzert von Art but fair.

Es muss nun raus, sehr geehrte Damen und Herren, selbst wenn diese Zeilen dazu führen, dass Dr. Hoff und ich deswegen nicht im Restaurant „Zauberflöte“, oder sonst wo, einen Tafelspitz essen werden oder ich vielleicht dadurch endgültig jede Chance auf eine Intendantenstelle vertan habe. Dieses Risiko muss ich eingehen! Dieses Risiko gehe ich ein! Und wer weiß: vielleicht geht er ja doch mit mir essen und diskutiert ernsthaft über Kulturpolitik und volkswirtschaftliche Fakten anstatt Anfragen von Art but fair im Stile eines Spin-Doktors zu beantworten.

Zum gemeinsamen Essen dürfte er sich übrigens dann auch noch eine Hose kaufen.

So genug mit Thomas Bernhardschen Anspielungen. Doch Thomas Bernhard hat wohl, wie kaum ein anderer, die Doppelbödigkeit der Politik und der Kulturszene aufgedeckt und beschrieben. Er war einer der wichtigsten Begleiter meiner Teenager-Jahre und das Burgtheater unter Peymann ein geliebter Platz.

Nun zum Freistaat Thüringen mit seiner Rot-Rot-Grünen Regierung, einem Ministerpräsidenten und Kulturverantwortlichen von der Partei die LINKE, der Partei eines Gregor Gysi und einer Sarah Wagenknecht. Dies sei nur kurz angemerkt, damit Sie, werte Damen und Herren, den besonderen politischen Kontext sehen.

Es wäre durchaus leicht für mich als Künstler auf einer emotionalen Ebene zu argumentieren, warum Oper, Orchester, Tanz, Schauspiel und alles rund um das Theater so wichtig ist. Man könnte Argumente anführen, wie:

  • Deutschland bekennt sich sogar im Grundgesetz zum Kulturland

  • Deutschland hat zahlreiche der bedeutendsten Künstler der Neuzeit hervorgebracht und hat eine Verpflichtung diesem Erbe gegenüber

  • Deutschland braucht das Theater, als essentieller Motor für eine funktionierende Zivilgesellschaft und als Gegenpol zur voranschreitenden Massenverblödung und Massenmanipulation durch fast vollkommen gleichgeschaltete Medien und monströse Schulpolitik.

Meine Damen und Herren: diese und andere Argumente, denen viele von Ihnen wahrscheinlich durchaus zustimmen würden und die von Politikern eines Landes in dessen Präambel zur Verfassung folgendes steht, sollten wohl für jeden Menschen, der in einer demokratischen Gesellschaft leben möchte, genügen:

In dem Bewusstsein des kulturellen Reichtums und der Schönheit des Landes, seiner wechselvollen Geschichte, der leidvollen Erfahrungen mit überstandenen Diktaturen und des Erfolges der friedlichen Veränderungen im Herbst 1989, in dem Willen, Freiheit und Würde des Einzelnen zu achten, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, Natur und Umwelt zu bewahren und zu schützen, der Verantwortung für zukünftige Generationen gerecht zu werden, inneren wie äußeren Frieden zu fördern, die demokratisch verfasste Rechtsordnung zu erhalten und Trennendes in Europa und der Welt zu überwinden, gibt sich das Volk des Freistaates Thüringen in freier Selbstbestimmung und auch in Verantwortung vor Gott diese Verfassung.“

Man beachte: das „Bewusstsein für den kulturellen Reichtum“ steht ganz vorne. Nachdem eine Präambel eines jeden Dokumentes quasi den Basiskontext der folgenden Absätze oder Paragraphen definiert, wird es wohl einen Grund gehabt haben, dass man dies in der neuen Verfassung 1993 (zuletzt geändert 2014) so geschrieben hat.

Nun sei dies aber alles hintenangestellt! Lassen Sie uns alles bis jetzt Geschriebene vergessen. Ignorieren wir diese sogenannten „Soft-facts“! Denn letzten Endes haben all diese Argumente wohl etwas mit Wahl zu tun. Mit der Wahl, in welcher Gesellschaft wir leben möchten. Mit der Wahl, die jeder Einzelne für sein Leben trifft. Und hier könnte man durchaus argumentieren, dass vielleicht die Mehrheit der Bevölkerung auf Oper, Konzert, Theater “pfeift” und lieber RTL, „Deutschland sucht den Superstar“ und Helene Fischer gefördert sehen will. Alles gut. Alles OK. Demokratie muss sein. Auch wenn die Wahlurne etwas hervorbringt, das mir nicht zusagt.

Jetzt aber, meine Damen und Herren, steige ich mal kurz aus der Haut des Künstlers, Humanisten und Träumers, für eine wunderschöne, gerechte Welt, in der wir alle in Frieden und mit drei Theatern pro Stadt leben, heraus und ziehe mir den Anzug von Zegna samt Schuhen von „Church’s of Bond Street“ an (Herr Dr. Hoff trägt übrigens feines Tuch, das muss man ihm lassen!) und schaue mit verklärten Augen auf mein Masterdiplom der Betriebswirtschaften einer angesehenen Londoner Universität, das direkt über dem Schreibtisch hängt, von dem aus ich diese ketzerischen Zeilen schreibe. Und ganz plötzlich und unverhofft steigt mir die „Grausbirne“ auf – wie man in Österreich sagt.

Ja, die „Grausbirne“! Die steigt immer dann auf, wenn mir jemand direkt und ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht lügt und meint, ich könne nicht bis drei zählen oder ich sei sonst irgendwie geistig umnachtet oder von Mainstreammedien schon vollkommen zugedröhnt und quasi in der Matrix hängend.

Ich habe Herrn Dr. Hoff ja im Namen von Art but fair geschrieben und ihm ein paar sehr sachliche Fragen gestellt. Er hat geantwortet. Vielleicht war er aber eine Hose kaufen und sein Büro hat die Antwort verfasst. (Die Fragen und Antworten finden Sie auch nochmals am Ende dieser Zeilen oder klicken sie einfach auf den Link oben.) Ich habe Herrn Dr. Hoff geschrieben, weil ich wissen wollte, ob er eigentlich die Fakten kennt. Ich meine, sehr verehrte Damen und Herren, die ZAHLEN und Fakten. Denn mir ist die „Grausbirne“ aufgestiegen.

Und sie stieg heftig, die Grausbirne. Denn ich, als bekennender Fan von Gregor Gysi und seiner Ausrichtung der Partei, konnte es einfach nicht fassen, dass ein Politiker der LINKE ein Verhalten an den Tag legt, dass nicht mehr Mainstream sein könnte und dann mit „Argumenten“ und abstrusen Metaphern („schwarzer Schwan“) um sich wirft und dessen gesamter Auftritt nach dem „Thüringer Kultur-Leak“ einfach zu sehr an die Argumentation von Goldman-Sachs Beratern oder ähnlichen Spin-Kliniken riechen, als einem überzeugten Demokraten lieb sein kann.

Da kommt also eine Antwort, die

  • erstens äußerst unpräzise bleibt

  • zweitens auf den volkswirtschaftlichen Effekt so gar nicht eingehen will und

  • drittens am Ende eine Aussage trifft, die absurder nicht sein könnte: es wird mir vorgeworfen, dass ich durch Suggestivfragen behaupte, dass “aus betriebswirtschaftlichen Gründen, ein Kulturgut zerstört wird”. Wer immer diese Antwort verfasst hat: bitte das nächste Mal genauer lesen, denn ich behaupte genau das Gegenteil: ich behaupte – und beweise es in den folgenden Absätzen – dass, wenn man betriebswirtschaftlich denken würde, ja wenn man das in der Tat tun würde, dass man dann die Kulturförderungen massiv aufstocken müsste, würde man sich tatsächlich für das Budget verantwortlich fühlen.

Und jetzt zu den Zahlen und Fakten meine Damen und Herren.

Zunächst lassen Sie uns den Landeshaushalt und das Budget für die Theater und Orchesterlandschaft ansehen:

GRAFIK

Zu den geplanten Einsparungen ist zu sagen, dass lt. der Antwort von Dr. Hoff, es keine aktiven Stellungskürzungen geben wird, sondern die Stellen durch Pensionierungen und natürliches Ausscheiden aus dem Betrieb quasi wegfallen.

Bevor ich weiter auf die Tabelle eingehe, erlauben Sie mir kurz diese spezielle Aussage des Herrn Dr. Hoff zu kommentieren und anhand dieser darzulegen, wie wenig Ahnung dieses Ministerium vom Kulturbetrieb hat:

Sagen wir z.B., dass in einem der von Streichungen bedrohten Orchester zufällig in einer Stimmgruppe, etwa den Hörnern, zwei Kollegen nächstes Jahr in Pension gehen. Die werden also nicht mehr nachbesetzt. Dann hätte man, vorausgesetzt es gibt keine weiteren Hörner, wie in einem kleineren Orchester durchaus möglich, einfach keine Hörner mehr. Egal, wir spielen dann ohne, gell?

Und was bedeutet diese Aussage weiter? Sie könnte zum Beispiel bedeuten, dass einfach alle Verträge der Opernsparte nicht mehr verlängert werden. Ist ja auch keine Kündigung… Oder die Chöre immer kleiner werden und die einzelnen Stimmgruppen immer unausgewogener, denn es ist wohl sehr unwahrscheinlich, dass jeweils eine Kollegin und ein Kollege in jeder Stimmgruppe zugleich in Pension gehen. Zudem braucht ein Chor eine bestimmte Größe, um zu funktionieren!

Ich hoffe, sehr geehrte Damen und Herren, Sie verstehen immer besser, warum mir die Grausbirne aufsteigt.

Zurück zur Tabelle:

Diese Tabelle sagt uns also – denn Zahlen lügen nicht und schon gar nicht Excel-Sheets – dass die substantielle Beschädigung der Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft eine Auswirkung von „satten“ 0,097% (also nicht einmal einem Promill) auf den Gesamthaushalt von Thüringen hätte. Wenn man die durchschnittlichen Baukosten von Deutschen Autobahnen zwischen 2001 und 2009 heranzieht (mittlerweile sind diese angeblich empfindlich teurer geworden), dann würde das bedeuten, dass man auf 891 Meter Autobahn verzichten müsste. Wenn man dieser Rechnung die Baukosten von Heute zugrunde legt (massiv verschärfte Umweltauflagen, teurere Grundstücksablösen, etc.) dann würden sich etwa im Falle der A100 in Berlin mit den 9 Millionen Ersparnissen gerade einmal 65 Meter Autobahn ausgehen.

Setzen Sie die 9 Millionen Euro zusätzlich bitte in Relation zu den gut 18 Milliarden Schulden des Freistaats Thüringen. Die würden nicht einmal reichen, um eine Woche die Zinsen dafür zu bezahlen.

Mit wenigen Worten, meine Damen und Herren: es handelt sich hier um den berühmten „Tropfen auf den heißen Stein“.

Jetzt kommt es aber noch viel dicker:

Wir haben ja bei unserer Rechnung bisher nur die Beträge ausgabenseitig betrachtet und die entgangenen Einnahmen gar nicht berücksichtigt. Denn, bitte denken Sie daran, weniger Theaterangebot bedeutet:

  • Verringerte Publikumszahlen=geringe Umsätze=geringeres Steueraufkommen

  • Weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter=verminderte Einnahmen aus Einkommenssteuer

  • Geringeres Auftragsvolumen für lokale Lieferanten = geringerer Umsatz, Kündigung von Mitarbeitern, etc.

Dies sind nur Beispiele für Ihre Inspiration.

Das erste, das man an einer angelsächsischen Wirtschaftsuniversität lernt, ist die sogenannte „Stakeholder Theorie“. Bitte nicht zu verwechseln mit „Shareholder“. Shareholder sind jene Anteilseigner eines Unternehmens, die für Ihre Anteile Renditen sehen wollen und für die das Management gerne Unternehmen „optimiert“, damit diese Renditen möglichst hoch sind.

Stakeholder sind alle Personen und Institutionen (hinter denen ja auch wieder Personen stehen), die Einfluss auf eine Organisation haben oder auf die die Organisation Einfluss hat.

Lassen Sie uns kurz ansehen, wer die Stakeholder (auszugsweise) eines Theaters oder Orchesters sind:

  • die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

  • Sie, das geschätzte Publikum

  • Sie, die geschätzten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler

  • alle Lieferanten – vom Energiekonzern über den Internetprovider und die Telefongesellschaft bis zum Papier- und Druckerpatronenhersteller und zum Kosmetikproduzenten, der das Bühnen-Make-up liefert

in weiterer Folge:

  • Taxiunternehmen, die Teile des Publikums bringen und wegführen

öffentliche Verkehrsmittel (siehe oben)

  • Ölkonzerne und Tankstellenpächter (Taxis und das Privatauto wollen ja bewegt werden)

  • Restaurants

  • Friseure (Stichwort Theaterfrisur)

  • Modegeschäfte

  • Handwerksbetriebe

natürlich:

  • Politiker

  • Sponsoren

Dies ist bei weitem keine vollständige Liste!

Wie es der Zufall so haben will, hat gerade die portugiesische Zeitung „Observador“ eine Studie veröffentlich, die die Steuereinnahmen aus Kulturförderung in Portugal zwischen 2010 und 2012 untersucht hat.

Für alle, die nicht so fit mit Portugiesisch sind, kurz zusammengefasst:

Portugal hat in diesem Zeitraum von drei Jahren jeweils ca. 0,7% des Gesamthaushaltes in Kunst und Kultur investiert, jedoch 2,7% an Steuerrückflüssen erhalten. Oder in absoluten Zahlen: €220 Millionen haben €3,5 Milliarden an Business generiert und daraus €750 Millionen an direkten Steuern daraus erbracht. (Bedenken Sie bitte, das Portugal heftig angeschlagen war und ein Minuswachstum hat!)

Lassen Sie uns kurz rechnen:

Das ergibt eine Verzinsung der €220 Millionen von 340% !

Jetzt, geschätzte Damen und Herren, sagen Sie mir bitte, wo Sie eine derartige Verzinsung bekommen? Es würde bedeuten, Sie gehen zur Bank, geben den Herrschaften €10.000,- und kommen in einem Jahr wieder, um sich €34.000,- abzuholen. Sie haben €24.000,- Gewinn gemacht. (Im Übrigen etwa 40% mehr als das Nettojahresgehaltes eines Anfängervertrages in der Sparte Oper. Aber das ist das Thema für einen anderen Aufsatz…)

Wenn man diese Formel 1:3 (abgerundet), also 1 Euro Investition in Kunst und Kultur zu 3 Euro direkter Rückfluss von Steuern an den Staat, also Sie, werte Damen und Herren, nun auf unseren Fall in Thüringen anwendet, dann würde dies bedeuten, dass die €65 Millionen für das Steuersäckel knapp €200 Millionen bringen. Übrigens zeigen andere Studien, dass das Verhältnis in reicheren Ländern wie Deutschland und Österreich bei mindestens 1:5 liegt. Dies würde also bedeuten, dass die €65 Millionen, €325 Millionen an Steuereinnahmen bringen.

Wenn man das Verhältnis 1:5 nun auf den Verlust der Steuerrückflüsse durch die geplante Kürzung von €9 Millionen direktproportional ansetzt, dann würde dadurch quasi ein Verlust von €45 Millionen entstehen, was knapp 70% des gesamten Budgets für Theater und Orchester entspricht.

Selbstverständlich würde der Freistaat Thüringen jedes Jahr auf diese €27 Millionen bis €45 Millionen verzichten. Da sammelt sich schon was über die Jahre!

Ja, ja, ich weiß: Im Antwortmail des Büros Dr. Hoff wird ja behauptet, dass alle Theater weiterhin bestehen und somit produzieren. Klar… Ich würde aber meinen, dass es doch ein Unterschied ist, ob einfach mal ein paar Dutzend Aufführung wegfallen bzw. Mitarbeiter im dreistelligen Bereich abgebaut werden.

Was ich noch gar nicht erwähnt habe, sind die Kosten, die bei der Abwicklung und Fusionierung entstehen. Also etwa Abfertigungen, Auszahlungen von unkündbaren Verträgen, Arbeitslosengeld und Steuerentfall der gekündigten bzw. pensionierten Kolleginnen und Kollegen, etc.

Was ich auch nicht erwähnt habe, ist die Auswirkung auf Musikhochschulen durch derartige Maßnahmen. Weniger Stellen bedeuten weniger Möglichkeiten für Absolventinnen und Absolventen. Ach ja, da meinte Dr. Hoff dazu, dass man das noch gar nicht in Betracht gezogen hätte und man das wohl auf Bundesebene diskutieren könnte. Ja er verwendete den Konjunktiv: könnte.

Von dem Einfluss auf die Top-Häuser, die bald keinen Top-Nachwuchs mehr bekommen, wenn die Stadt- und kleineren Staatstheater wegfallen, wo man die großen Rollen erarbeiten kann, rede ich hier noch gar nicht.

Was sagen eigentlich die Intendantinnen und Intendanten der besagten Top-Häuser dazu und jene der anderen Häuser, denen es auch bald an den Kragen gehen könnte? Es herrscht seltsames Schweigen – nur so nebenbei erwähnt.

Dies, meine Damen und Herren, sind die sogenannten „Hard-Facts“, also die harten Fakten, die Zahlen die nicht lügen! Wenn Politiker nun also, wie schon seit fast zwei Jahrzehnten behaupten, dass „kein Geld für Kultur da ist“, dann sind sie entweder uninformiert oder sie lügen. Fakt ist, dass die Investition von Steuermitteln in Kunst und Kultur, eine überdurchschnittlich gute Investition für den Steuerzahler ist und immer schon war!

Die Stadt London hat übrigens in den 1990ern – und ich habe das live miterlebt – einen ganzen Stadtteil in East-London, der zuvor heruntergekommen war, samt dazugehöriger Kriminalität, innerhalb von wenigen Jahren durch die Ansiedlung einer kreativen Szene, vollkommen saniert. Shoreditch ist heute einer der angesagtesten Plätze in London.

Interessant an der oben erwähnten Studie ist auch, dass die darstellenden Künste im Vergleich zu anderen Kunstformen, überproportional Steuerrückflüsse generieren. Daher wäre gerade die Schließung einer Opernsparte und die Fusionierung von Orchestern besonders schwachsinnig.

Die Frage, die sich für mich daher abschließend stellt ist:

Was ist die „hidden agenda“, der versteckte, nicht ausgesprochene Grund für diese ganz offensichtliche Verfälschung von Fakten von Seiten der Politik?

Könnte es sein, dass wir Kulturschaffende, gemeinsam mit Umweltaktivisten und ein paar standhaften Journalisten, die letzten Aufmüpfigen sind, die einem vollkommen gleichgeschalteten, antidemokratischen Staat im Wege stehen?

Theater waren immer ein Hort von heftigen politischen und gesellschaftspolitischen Diskussionen, Keimzellen von Revolutionen und Wehrburgen gegen Faschismus und autoritären Gesellschaftsformen. Auch 1989 war das so in Thüringen!

Theater regt zum Denken an. Theater berührt. Theater schafft Freiheit im Kopf. Theater stellt Fragen, die gestellt werden müssen. Theater ist ein Brutkasten für Ideen, die die Zivilgesellschaft weiterbringt.

Abschließend hoffe ich, dass Sie, werte Damen und Herren, Verständnis dafür zeigen, dass ich, nach meinem offensichtlich gescheiterten Bemühen, durch pragmatische Fragen Klarheit zu schaffen, doch etwas emotional reagieren musste und wollte. Denn nur klare Worte, überspitzt formuliert, regen zum Diskutieren an!

Es steht sehr viel auf dem Spiel! Nicht nur im Bereich Kultur, sondern, wie wir ja gerade hautnah erfahren, für unsere Gesellschaft im allgemeinen. Und es ist hoch an der Zeit, dass das kranke System auch als solches bezeichnet wird. Wie kann es sonst Veränderung und Genesung geben?

Wo denken Sie, wird unsere Gesellschaft in dreißig Jahren sein, wenn wir es weiterhin zulassen, dass gewählte Volksvertreter lieber Geld für Waffen und Kriege ausgeben, die dann als Folge massive Flüchtlingsströme auslösen? Was wird geschehen, wenn wir privaten Banken noch länger erlauben, Geld aus Luft zu schaffen, um dafür von ehrlich arbeitenden Menschen Zinsen zu kassieren – nachdem sie mit absurden Summen an Steuergeldern gerettet wurden, alleine in Deutschland waren es über €600 Milliarden (haben Sie sich schon mal die Perversität dieses Systems überlegt)? Wo werden wir in dreißig Jahren stehen, wenn die Hälfte unserer Kinder auf Drogen sind, weil clevere Pharmakonzerne mit Hilfe der Gesundheitsämter uns einreden, dass ein Kind gleich ADHS hat, wenn es nicht acht Stunden pro Tag ruhig in der Schule sitzen kann? Was wird geschehen, wenn Konzerne Patente auf Nahrungsmittel haben dürfen und – wie bereits in den USA an der Tagesordnung – Bauern verhaftet werden, weil sie ihre eigenen Samen zur Aussaat verwenden wollen? Wo befinden wir uns schon in zehn Jahren, wenn hinter verschlossenen Türen, vom Staatsbürger nicht legitimierte Personen, Verträge wie TTIP verhandeln, ohne dass die gewählten Volksvertreter diese Verträge einsehen dürfen, aber darüber abstimmen sollen? Verträge, die es Konzernen erlaubt, Staaten zu klagen, wenn diese etwa beschließen, dass sie keine genetisch manipulierten Pflanzen in ihrem Land haben wollen.

Das alles sind brennende Fragen. Und die letzten Hochburgen des Widerstandes gegen diesen Wahnsinn, die Theater, müssen mit aller Kraft erhalten werden!

Sehr geehrte Damen und Herren, hoch geschätztes Publikum: bitte unterstützen Sie daher, auch in Ihrem eigenen Interesse, unseren Kampf in Thüringen und in anderen Städten!

Selbst wenn Sie der Meinung sind, dass Theater gesellschaftspolitisch unwichtig ist oder wenn Sie persönlich keinen Bezug dazu haben, seien Sie zumindest ein Freund Ihres eigenen Geldbeutels sowie einer funktionierenden, demokratischen, nachhaltig handelnden Zivilgesellschaft und befehlen Sie den von Ihnen gewählten Volksvertretern, dass diese nicht eine der hochprofitabelsten Einnahmequellen mutwillig zerstören! Es wären viele Hosen, die sich Herr Dr. Hoff, Sie und ich uns nicht mehr kaufen könnten, wenn wir auf diese Verzinsung verzichten.

Wenn Sie jetzt meinen, und einige von Ihnen werden dies tun, dass der Herr Sist vielleicht etwas übertreibt oder wenn sie etwas befremdet von einigen Aussagen, wie etwa zum Geldsystem, sind, dann fühlen Sie doch einfach nach und fragen Sie Ihr Gewahrsein und Ihr Bewusstsein, ob da vielleicht doch etwas dran ist. Was nehmen Sie tatsächlich wahr, das vielleicht vollkommen konträr zu dem ist, was Sie durch Mainstreammedien jeden Tag erfahren?

Und bitte fragen Sie sich, in welcher Gesellschaft Sie leben wollen und welches Erbe Sie ihren Kindern und Enkeln hinterlassen wollen?

In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Hier nochmals der Link zu dem Fragen-Antwort Spiel mit Dr. Hoff und Art but Fair.

*Gastartikel von Christian Sist

Links:

*Facebook-Seite Christian Sist 

*Facebook-Seite Art but fair / Homepage Art but fair

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3 Gedanken zu „Die Budgetlüge und andere Unsittlichkeiten – Ein Widerspruch&8220;

  1. Sehr geehrter Herr Sist,
    da Sie ja so für Zahlen und Fakten sind. Woher kommen in Ihrer Tabelle die „angeblich geplanten Einsparungen“ in Höhe von 9.000.000 Euro. Das ergibt sich aus keiner Veröffentlichung. Der Minister schreibt ja sogar in seiner Antwort auf Sie:

    „Seitens des Landes werden die Gespräche über die kommende Finanzierungsvertragsperiode und die Strukturveränderungen an den Thüringer Theatern mit der Erwartung geführt, dass Land und Kommunen durch diesen Prozess keine Ausgabensenkungen vornehmen, sondern vielmehr in Folge der schrittweisen Rückkehr zum Flächentarifvertrag Mehrausgaben zu vergegenwärtigen sein werden. Für den Haushalt 2016 ist seitens des Landes eine erste Tarifanpassung auf ein Niveau von 67,5 Mio. EUR vorgesehen.“

    Geplante Mehrausgaben sind keine „angeblich geplanten Einsparungen“.

    Seriös geht anders. Genau lesen hift.

    1. Sehr geehrter „Erfurter“,

      Es war sehr wohl ursprünglich davon die Rede. Zudem hat der Minister selbst geschrieben, dass Stellen nicht nachgesetzt werden sollen und Orchesterfusionierungen sind nicht vom Tisch.

      Zudem soll diese Rechnung aufzeigen, wie wenig selbst eine Millionenkürzung Einfluss auf das Gesamtbudget hat.

      Letztlich: zivilisierte Menschen diskutieren mit Klarnamen. Seien Sie also so nett und tragen Sie das nach.
      Danke.

      Christian Sist

  2. Sehr geehrter Herr Sist, Bravo, sehr gut, volle Zustimmung.

    Ich erinnere mich an die Umwegrentabilitätsstudie des Herrn Prof. Schneider der Johannes Kepler Universität in Linz aus dem Jahre 2006 zum Neubau des Linzer Musiktheaters: Jeder investierte Euro kommt dreimal wieder rein!!! Also dasselbe Ergebnis wie in der von Ihnen zitierten portugiesischen Studie.
    Zahlen, die jeder kennen sollte. Und wie Sie ganz richtig schreiben, die Einkommensverhältnisse der Künstler auf der Bühne gehören in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Deswegen finde ich den Verein Artbutfair besonders begrüssenswert.
    Hochachtungsvoll, Bunde

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