Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel

Allee-Theater Hamburg: Premiere von Gioachino Rossinis Oper „La Gazetta“ am 6.10.2017

Allee Theater Hamburg / La Gazetta / @ J. Flügel
Allee Theater Hamburg / La Gazetta / @ J. Flügel

Von der begeisternden Kraft von Einfachheit, Humor und – natürlich – Musik!

 

Das Allee-Theater in Hamburg besteht aus dem Kindertheater in dem ich vor ungefähr fünfzig Jahren mit, der kindlichen Begeisterung, die mir bis heute oft noch blieb, „ Räuber Hotzenplotz“ sah und aus der Kammeroper. Beide Theater teilen sich einen Saal, der ca. 200 Zuschauern Platz bietet. An den Nachmittagen am Wochenende gehört der Saal den Kindern und ihren Eltern. Drei Abende in der Woche dann, sitzen Erwachsene, auf den so herrlich nostalgisch abgewetzten, roten Samtstühlen mit Goldrahmen und genießen große Oper auf kleiner Bühne.

Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel
Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel

Auf einem dieser Stühle sitzend, erlebte ich diesen Freitag die Premiere von Gioachino Rossinis Oper „La Gazetta“, die hier, komplett und in deutscher Sprache aufgeführt, ihre Deutschland-Premiere hatte. Die Handlung lässt die so „rossiniesk“ amüsanten Irrungen und Wirrungen um alternde Männer, in diesem Falle Väter, die ihren Töchter mittels Zeitungsannoncen in eben jener „Gazettta“ gewinnbringend verkuppeln wollen, nicht missen. Doch ist es klar, dass sie mit Pauken und Trompeten scheitern, da natürlich die Liebe siegt und natürlich bedarf es einiger Intrigen, Verkleidungen und eines Duells, um zum Happy-End zu gelangen. Doch eben unterhaltend, erheiternd und nicht dramatisch berührend. Dafür sorgt schon Rossinis so spritzige, mit jeder Note lebensbejahende Musik, von der viele Melodien sich einfach in Ohr und Gemüt festsetzen. Kennt man viele doch bereits aus anderen Rossini-Opern, wie „La Cenerentola“, „Die Italienerin aus Algier“ und anderen. Herr Rossini hat sich wirklich ausnehmend gerne selbst zitiert. Aber es war nicht alleine diese Tatsache, die mich, als ich in der Ouvertüre, die zu „Cenerentola“ erkannte, lächeln liess. Es war der Klang, des Orchesters, denn gewöhnt an das personenstarke „Philharmonische Staatsorchester Hamburg“, war es anfangs doch befremdlich, dieselbe Musik von 5 Musikern gespielt zu hören. Marius Adam sagte auf der Premierenfeier, dass das Arrangement und Dirigat von Ettore Prandi und die Leistungen der Musiker „nichts vermissen ließen“. Ein Gefühl, dass sich schon nach kurzer Zeit auch wirklich einstellte.


Auch das, auf der Bühne zu Sehende und zu Hörende zieht sofort in seinen Bann. Einmal, dank des einfühlsam und augenzwinkernd an die heutige Sprache angepassten, Librettos von Barbara Hass und der mit leichter Hand uns sichtlichem Spaß an der Arbeit ausgeführten Regie. Hass und Regisseur Alfonso Romero Mora, der zum ersten, aber hoffentlich nicht zum letzten Mal an diesem Haus inszenierte, ersetzten die Zeitung kurzerhand durch, uns allen bekannte Netzwerke, wie Facebook, Instagram, Twitter und Co. Es fehlt nicht an subtilen oder weniger subtilen Hinweisen über unsere Internet- Abhängigkeit. Oder auch das an Sucht grenzende, Bedürfnis, uns ständig selbst darzustellen und das aller Welt zu zeigen. Wenn die Darsteller nicht aufhören können Fotos von sich oder von und mit anderen zu machen, oder sich eine SMS nach der anderen schicken, obwohl sie sich in zwei nebeneinanderliegenden Räumen befinden, zwingt das geradezu zum Lachen und selbstironischer Selbsterkenntnis.

Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel
Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel

Das Bühnenbild ist raffiniert einfach, die Orte werden durch das Verschieben von Wandelementen erzeugt, sichtbar und durch die Darsteller selbst (im Halbdunkel) ausgeführt. Ein kleines Meisterstück ist dabei für mich die Szene, die im Badezimmer spielt. Hier symbolisiert ein, von der Bühnendecke baumelnder Bilderrahmen einen Spiegel vor dem sich zwei Darstellerinnen Pläne schmiedend, schminken. Verantwortlich für dieses Bühnenbild, wie auch die Kostüme, zeichnet Lisa Überbacher. Ihre Kreationen sind zwar nicht einer bestimmten Modeepoche zuzuordnen, was sie für unsere heutige Gesellschaft besonders kompatibel macht. Doch sie spiegelt sehr gut die jeweiligen Persönlichkeiten wieder. Sei es durch cremefarbenen Anzug, der an die Mode des ausgehenden 19. Jahrhunderts erinnert, einen schwarzen Abendanzug samt Halsbinde und Spitzenjabot oder Ton in Ton Ensemble aus Hose, Hemd und, lässig um die Schultern getragenen, Pullover bei den Herren. Oder Seidenoverall inklusive passenden Turban oder grell pinkes 50-ziger Jahre Kleid mit Petticoat, bei den Damen. Dass dieses Kleid hier noch ein an „Schwanensee“ erinnerndes Kleid ist, zeigt die Liebe zum Detail, die harte Arbeit bis zu letzten Sekunde. Dies verdient Hochachtung und viel Beachtung von zahlreichen Besuchern.
Zuletzt jedoch sind es die Sänger, die singenden Darsteller, die den Abend zu einem wirklichen Genuss machen. Ein Snob, wer mit Leistungen von namhaften Sängern großer Bühnen rechnet, die auch nicht immer halten, was der Ruf verspricht. Richtiger ist das schon, was eine andere Besucherin sagte:“Die Sänger sind fantastisch!“ Denn das sind sie, in diesem Theater, diesem Stück auf jeden Fall! Auch sie verdienen es absolut viel intensiver als bisher wahrgenommen- gehört, erlebt, zu werden.

Da ist zu einem Tenor Ljuban Živanovic, als nach vollendeter Schönheit suchender Alberto. Sein erster Auftritt schon, der an eine Imitation von Semino Rossi erinnert, zeugt nicht nur von seinem komödiantischen Talent, sondern offenbart auch einen angenehmen lyrischen Tenor. Natascha Dwulecki singt Doralice, die Dame, die seinen hohen Ansprüchen entspricht und sich glücklicher auch sofort für ihn, als ihren künftigen Gatten entscheidet. Sie gibt die Diva in dem Stück, die spröde Schöne und dies mit Charme, und einer Stimme die , wie auch die von Živanovic, neugierig macht auf weitere Rollen.
Das zweite Liebespaar an diesem Abend steht noch mehr im Focus der Handlung, da Lisetta (Cecilia Rodríguez-Morán) es ist, für die jene pompöse Anzeige in „La Gazetta“ aufgegeben wurde, um die sich alles dreht. Sie aber ist längst entschlossen niemanden anderen als den Hotelwirt Philippe (Robert Elibay-Hartog) zu ehelichen. Cecilia Rodríguez-Morán spielt die Lisette herrlich überspannt, So manche Elten im Publikum haben sicher Parallelen zu ihrer Teenagertochter knüpfen können. Hier Sopran ist klar und hell, an manchen Stellen etwas schrill, doch entspricht das einfach auch der Rolle. Robert Elibay-Hartog überzeugt nicht nur durch seine Erscheinung, doch auch sein Spiel, als der Mann in den sich, das Prinzesschen jeden, liebenden Vaters, sich verlieben könnte. Stimmlich, schien er sich an diesem Abend jedoch ein wenig zurückgenommen zu haben.

Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel
Allee Theater Hamburg / La Gazetta/ @ J.Flügel

Doch was wäre eine Oper, ob Tragödie oder Komödie ohne jemanden, der i m Hintergrund die Fäden spinnt, egal ob zum Bösen oder zum Guten? Die Rollen der vermeindlich Bösen fallen hier Hausherrn Marius Adam als Don Pomponio Storione und Titus Witt als Signor Anselmo zu. Doch eigentlich wollen sie für die jeweilige Tochter- und sich selbst- doch nur das Beste. Beide Herren haben die,manchmal schadenfrohen Lacher auf ihrer Seite. Besonders Adams Pomponio aber überzeugt als ein typischer Rossini Buffo: Sonore Stimme und auf eine tragisch-komische Weise von sich überzeugt.
Bleibt noch das Faktotum, das den Liebenden zum Happyend verhilft. Hier ist es eine Frau, nämlich Madame La Rose, gesungen von Feline Knabe. Sie zieht durch Können in den Bann, das Erfahrung zeigt, aber keinerlei Routine spüren lässt.

Alles in allem einfach ein Abend, der das Premierenpublikum all die Probleme und Widrigkeiten, die Sturmtief „Xavier“ mit sich brachte, vergessen ließ und auf jeden Fall von jedem genossen werden sollte, der wohlklingende, augenzwinkernde Ablenkung von Alltag und nicht zuletzt den virtuellen Medien sucht.

*Rezension von Birgit Kleinfeld, Hamburg

*Alle Fotos mit frdl. Genehmigung von Allee Theater Hamburg / @ J. Flügel

 

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Musikalische Bearbeitung und Leitung: Ettore Prandi

Regie: Alfonso Romero Mora
Bühne und Kostüme: Lisa Überbacher
Deutsche Textfassung: Barbara Hass

BESETZUNG
Don Pomponio Storione: Marius Adam / Titus Witt
Lisetta: Luminita Andrei / Cecilia Rodríguez-Morán
Philipe: Robert Elibay-Hartog
Signor Anselmo: Titus Witt / Etienne Billault
Doralice: Natascha Dwulecki
Alberto: Gheorghe Vlad / Ljuban Živanovic
Madame La Rose: Feline Knabe
Bediensteter: Josef Brunkhorst

Website Allee Theater Hamburg

 

 

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2 Gedanken zu „Allee-Theater Hamburg: Premiere von Gioachino Rossinis Oper „La Gazetta“ am 6.10.2017&8220;

    1. Absolut Frau Solontsch! Ein wunderbarer erster Abend für mich und einer, der – zumindest teilweise-die verdiente erhöhte Aufmerksamkeit und die erforderliche Steigerung der Auslastungsquote bringen sollte!!

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